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Zeitpuzzle
- Kai Beisswenger -


 

Kai Beisswenger wurde 1961 in Seesen am Harz geboren. Neben dem Schreiben arbeitet der gelernte Betriebswirt und Außenhandelskaufmann im internationalen Vertrieb. Die Erlebnisse einer einjährigen Reise, die ihn zwischen 1986 und 1987 nach Griechenland, in die Türkei, nach Ägypten, Israel und schließlich nach Indien führte, weckten sein Interesse für Mythen, Religionen, Philosophie und Sprachen. Im Mittelpunkt seiner Bücher stehen die Beziehungen moderner wissenschaftlicher Erkenntnisse zu den Mythen und Weisheitslehren vergangener Kulturen.

 

 

Kai Beisswenger

 

In seinem ersten Buch "Das Traumpuzzle" verarbeitete er Erfahrungen, Ideen und Gedanken der ersten vierzig Jahre seines Lebens. Neben einer Reihe von "Short Stories" erschien im August 2002 sein zweites Werk "Zeitpuzzle". Zur Zeit bereitet er seine dritte Veröffentlichung "Das Weltpuzzle" (Arbeitstitel) vor, welche voraussichtlich Ende 2005 erscheinen- und die Puzzletrilogie abschließen wird.

   www.kai-beisswenger.de 

  kai.beisswenger@planet-interkom.de 

 


Zeitpuzzle

Kurzbeschreibung - Zeitpuzzle

Die fantastische Erzählung beginnt in einer fernen Zukunft. Der Protagonist ist ein moderner Mensch, der beim Besuch seiner Freundin in Paris einen merkwürdigen Grafen kennen lernt. Dieser scheint von einer geheimnisvollen Macht bedroht zu werden. Dann folgt ein abrupter Zeitsprung: der Protagonist erwacht im Jahre 1985 aus einem Traum. Hat er die Zukunft nur geträumt? Plötzlich taucht der Graf vor ihm auf, der doch nur in seiner Fantasie existiert. Wie ist das möglich? Es beginnt ein Wettlauf durch die Zeit, bei dem der Erzähler zum Spielball zweier rivalisierenden Sekten wird. Im Jahre 2009 wird das große Rätsel gelöst.



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Leseprobe - Short Stories

Im Wüstenkrieg

Sie saß in der Falle. Ihr GPS hatte sie bereits auf der Straße verloren. Das bedeutete Kontaktsperre, was fast einem Todesurteil gleich kam. Nun könnte sie alles verlieren. Und das war nicht viel. Wo waren ihre Kameraden? War sie die einzige Überlebende? Jetzt trat ein, was sie am meisten gefürchtet hatte: Todesangst. Sie hatte keine Pillen mehr, also musste sie ohne Drogen die Angst überwinden. Der Schweiß hatte die Schutzmaske mit ihrer Haut verklebt. Sie bekam kaum noch Luft. Das Herzklopfen war so laut, dass es wohl kaum dem Feind verborgen bleiben konnte, der sich drei Meter hinter der Tür verschanzt hatte. Wie viele von dem Pack hatten sich dort versteckt? Wie waren diese feigen Ratten bewaffnet? Hör auf zu zittern, befahl sie ihrem Körper. Versuch dich irgendwie abzulenken, denke dich groß, denk an die Geburt deiner Kinder, an deinen Mann oder an deinen ersten Orgasmus. Als der bebrillte Captain sehr ernsthaft über mentale Kampftechniken referierte, hatte sie insgeheim lachen müssen. Jetzt begriff sie, wie nutzlos das Wissen der akademischen Theoretiker tatsächlich war. Aber immerhin, sie konnte ihren Kopf zwingen, kurz Bilanz zu ziehen. In Gedanken breitete sie ihre verbliebenen Habseligkeiten vor sich aus: Eine Handgranate, eine MP mit etwa sechzig Schuss Munition, das Sturmmesser, ein defektes Notebook, die ABC-Schutzmaske, der Spezialrucksack mit Trockennahrung. Schließlich: Tarnanzug, Helm, Kampfstiefel. Dazwischen klebte noch die Seidenunterwäsche auf der Haut.
Sie kam sich wirklich dämlich vor: Dessous in den Zeiten des Krieges! Wenn das Pack sie lebend in den Griff bekäme, wäre das fast wie ein Hauptgewinn. Ein toter Soldat würde den orientalischen Schweinen mehrere Tausend Dollar bringen. Mit einer blonden Soldatin in Seidenunterwäsche würden sich sicher hundert schnauzbärtige Böcke vergnügen. So lange, bis es eben nicht mehr ging. Weiter kam sie nicht. Sie hörte einen Schrei, dann öffnete sich die Tür und ein Soldat rannte mit gezücktem Bajonett auf sie zu. Ihr blieb genügend Zeit, die MP auf Einzelfeuer zu stellen, dann atmete sie durch und gab zwei Schüsse ab. Der Mann fiel etwa einen halben Meter vor ihr zu Boden. Nachdem sich hinter der Tür nichts mehr rührte, kam sie aus ihrem Vorsprung hervor und nahm dem Soldaten den Helm ab. Er lebte noch. Sein Gesicht war vor Angst und Schmerz entstellt. Sie schätzte ihn auf etwa vierzehn Jahre. Sie streichelte ihm über die Haare, während sich ihre Augen mit Tränen füllten.

*****

 

Ein Abend aus dem Leben eines Fahrgastes
des öffentlichen Nahverkehrs

Endlich Wochenende! Aber warum kommt die Straßenbahn nicht? Schon zum zweiten Mal in dieser Woche verspätet sich die Tram und ich verpasse mal wieder den Anschluss an den Bus. Gerade heute Abend habe ich etwas vor. Das ist ja wieder typisch. Murphy, mein bester Freund! Okay, jetzt nehme ich die 708 bis Uhlandstraße und dann die 713 bis Gerresheim Krankenhaus. Da kommt die 708. Geschafft: vier Minuten später bin ich in der Uhlandstraße. Und siehe da, es kommt eine Bahn. Hurra, ich habe Anschluss. Ein kurzer Blick auf den Plan zeigt mir, dass es sich um die 713 handeln müsste. Aber es kommt eine 703. Warum? Geht meine Uhr falsch? Nehme ich jetzt die 703 und fahre bis Gerresheim Rathaus oder warte ich. Ich bleibe stehen, denn die 713 sollte ja in einer Minute ankommen. Weshalb bin ich der Einzige, der hier dumm herumsteht? Mist! Ich warte eine Minute, zwei Minuten, fünf Minuten. Scheiße, ich habe einen Fehler gemacht. Die 713 ist wohl ausgefallen und ich muss auf die nächste 703 warten. Die kommt in 5 Minuten. Ich habe ein Buch dabei, doch bin ich zum Lesen zu unruhig. Ich, der große Perfektionist, habe mich verkalkuliert. Ich Idiot! Wenigstens kommt jetzt die 703; doch ich habe wieder zehn Minuten verschenkt. Nicht daran denken, sei ruhig – entspanne dich!
Ich sitze nun in der 703 und packe mein Buch aus: >Quest< von Eschbach. Irgendwie fällt mir der Einstieg schwer, weil mich immer wieder etwas ablenkt. Vor mir grölt ein Besoffener herum. Jetzt macht er auch noch eine Frau an. Die Frau steht auf, geht zum Führerhaus und beschwert sich beim Fahrer. Dann setzt sie sich wieder hin und das Theater geht weiter. Mensch, halt die Klappe und lass mich in Ruhe mein Buch lesen. Ein Fahrgast ruft dem Besoffenen zu, er möge die Klappe halten. Er siezt ihn. Ich würde einen herumgrölenden, etwa mittelgroßen blonden Arbeitertypen mit Baseballmütze duzen. Ein förmliches "Sie" ist zu viel der Mühe und reine Zeitverschwendung. Endlich hält er die Klappe. Aber nur kurz. Er steht auf, setzt sich einer gutaussehenden Schwarzhaarigen gegenüber und labert sie dumm an. Die Dame steht auf und geht. Und gleich hat er ein neues Opfer gefunden. Aber nur kurz. Aus dem Führerhaus meldet sich die Tramfahrerin und teilt dem Blonden mit, er möge die Fahrgäste in Ruhe lassen oder aussteigen. Der Täter tut weder das eine noch das andere. Mir reicht es. Ich stehe auf, baue mich vor dem Besoffenen auf und spreche ihn ruhig an: „Halt jetzt die Klappe, niemand will mit dir reden und lass gefälligst die Frauen in Ruhe!“ Er reagiert überhaupt nicht auf mich. Die Tram hält an. Ich will mich wieder hinsetzen aber mein Platz wurde inzwischen von einer etwa Fünfzigjährigen besetzt. Ich lasse mich neben einer Contergangeschädigten nieder. Ich versuche, weiterzulesen. Aber jetzt muss ich an die Behinderte neben mir denken. Wie sie wohl ihr Leben meistert? Der Besoffene hat ein neues Opfer gefunden. Er rückt einem Teenager ziemlich nah auf die Pelle: umarmt ihn, schlägt ihm auf den Rücken. Ich koche. Erhebe mich, laufe zum Täter und fordere ihn auf, endlich aufzuhören. Er reagiert nicht. Das Opfer umso mehr: „Hören Sie, was der Herr sagt, so hören Sie doch endlich auf!“ Ich sage dem Opfer, er solle sich woanders hinsetzen. Das Opfer steht auf, der Täter wankt hinterher. Die Tram hält. Der Täter ist auf Türhöhe. Ich eile zu ihm und gebe ihm einen Stoß. Er stolpert aus der Tür und fällt auf den Bürgersteig. Die Tür schließt sich. Wenige Sekunden darauf öffnet ein von draußen heranhastender Fahrgast die Tür. Er hat nichts vom Rausschmiss mitbekommen. Wahrscheinlich hätte er einen anderen Einstieg genommen. Der Besoffene rappelt sich auf, murmelt: „Ej, wat war das denn, wat war das denn?“ Er versucht wieder einzusteigen. Ich stelle mich vor die Tür und schreie ihm „Bleib draußen!“ entgegen. Verblüfft starrt er mich an. Er erschrickt und tut mir leid. Die Bahn fährt los. Ich sehe, wie er immer noch erstarrt vor der abfahrenden Bahn steht und es nicht glauben kann. Ich fühle mich schlecht. Setze mich wieder neben das Conterganopfer. Der Teenager nickt mir ein „Danke“ zu. Ein Fahrgast raunt: „Das war aber gefährlich!“ Natürlich war es gefährlich. Ihr Scheißer, habt die ganze Zeit die Klappe gehalten, jetzt fällt euch etwas ein. Typisch! Natürlich hätte noch einiges passieren können. Es war brutal, ich war brutal. Aber es war zweckmäßig. Ich hätte auch sagen können: „Ja bitte, lieber Herr Besoffener, wir fühlen uns belästigt, könnten Sie bitte jetzt aussteigen?" Vermutlich hätte ich nun ein Messer im Bauch und der dumme Fahrgast könnte „Das ist aber gefährlich!“ raunen. Auf der anderen Seite hätte der Besoffene sich schwer verletzen können. >Wer handelt, trägt Verantwortung< kommt mir in den Sinn. Ja, wer nur dasitzt, die Schnauze hält und nach vollzogener Handlung lästert, der kommt immer besser weg. Ich drehe mich um und schaue dem Conterganopfer in die Augen. Keine Regung. Ich kann nicht mehr lesen. Als ich an der Haltestelle >Gerresheim Rathaus< aussteige, bedanken sich zwei ältere Damen für meine Entschlossenheit. Ich sage nichts. Ich warte fünf Minuten auf meinen Anschlussbus. Er ist leer. Die Sitzbänke sind verschmutzt und zwei leere Bierflaschen rollen im Rhythmus der Kurven hin und her. Ich könnte kotzen.
Nachdem ich meiner Frau die Geschichte erzählt habe, versuche ich einen Bissen herunterzubekommen. Es gelingt mir nicht. Heute, am fünfzehnten Hochzeitstag, sitze ich vor dem Festmahl und blicke schweigend in die Augen meiner Frau.

 


 

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