Leseprobe - Unterwegs zu
mir
Impressionen einer Reise
mit Sinnsprüchen und Übungen
Der Bahnsteig füllte sich
mit Menschen, welche alle zielorientiert an mir vorbeizogen, und so schnell wie sie kamen,
wieder verschwanden. Bis auf einen. Der lungerte etwas abseits von mir, hatte einen
speckigen Rucksack dabei und sah aus wie einer von unter der Brücke links dreimal
klopfen. Das konnte ER unmöglich sein! Diese Erscheinung passte nicht zu der Vorstellung,
die ich von IHM hatte, noch zu seiner Telefonstimme, welche mir noch im Ohr klang. Nein.
So konnte ich mich nicht täuschen! Außerdem hätte ER mich schon längst angesprochen,
wenn ER es denn wäre. Dieser Mensch da wartete sicher auf jemand anderes. Und der, auf
den ich wartete, hatte den Zug verpasst. Nun gut, ich würde erfahren, was passiert war.
Doch merkwürdig fand ich schon, dass besagte Erscheinung mutterseelenallein hier auf dem
Bahnsteig verweilte. Das ist nicht unbedingt ein gängiger Treffpunkt. Und auch kein
beliebter Aufenthaltsort. Und so trieb mich meine Neugierde, oder was auch immer, doch
dazu, diese Seele von Mensch, welche mir in ihrer äußerlichen Erscheinung so gar nicht
gefiel, mal anzusprechen: Wartest du hier auf jemanden? fragte ich. Was
Besseres viel mir wohl nicht ein. ER rollte die Augen, blickte weg, dann wieder mich an.
Ich dachte, ja okay, entschuldige, hätte ja sein können, und hakte nach: Also auf
niemanden, den du nicht kennst? Keine Reaktion. Und so war ich dabei mich
abzuwenden, um wieder heim zu gehen. Doch da entsann ER sich, dass ich wohl diejenige sein
könnte, auf welche ER wartete ...
Au Backe! Stoßgebet und
Beschwerde gingen umgehend und per Eilbrief 'gen Himmel. Was soll das! Also bitte, liebe
Engel! Äußerlich ließ ich mir nichts anmerken, versuchte es jedenfalls. Ich gab mich
nett, plaudernd und fröhlich. Dabei arbeitete mein Gehirn wie wild: Was mache ich jetzt
bloß? Sagte ER nicht 18.15 Uhr fahre sein Zug zurück, und diese Zeit sollte reichen, um
uns etwas kennen zu lernen und zu entscheiden? Ich hatte schon entschieden! Am liebsten
wäre mir, ER nehme gleich den nächsten Zug zurück! Diese meine Gedanken behielt ich
allerdings für mich. ER war ja eigens für unser Kennenlernen aus München nach Chemnitz
angereist. Das kannst du nicht machen, meldete sich mein Gewissen. ER
kann ja trotzdem ein netter Kerl sein, beurteile nicht nur nach dem Äußeren!
Während
wir zu meinem Auto liefen überlegte ich, wo wir uns für einen kurzen Moment, als
freundliche Geste sozusagen, aufhalten könnten und wie ich IHN am schnellsten wieder
loswerden konnte. Ich entschied mich für eine einfache aber gemütliche Pizzeria ganz in
der Nähe. Wir aßen und tranken und ich lud IHN ein. Aus seinem ekelhaft dreckigen
Rucksack packte ER dann Reiseführer und Wanderkarten und redete über sein Urlaubsziel
Kuba und über den noch nicht festgelegten Ablauf dieser bevorstehenden Reise.
Bald fuhr
ich IHN dann zum Bahnhof zurück und war mir sicher: Den sehe ich nie wieder! Hatte ich
doch eine gute Ausrede: Kuba war mir plötzlich viel zu weit, zu heiß, und überhaupt.
Jedoch es
sollte anders kommen: ER änderte sein Reiseziel. Ich meine Meinung. Und eine spannungsgeladene Reise nahm ihren
Lauf...
Romy Christel Landgraf
Hier gibts mehr über mich und mein Reiseerleben zu erfahren: www.romyland.de