Leseprobe - Sport
ist Mord - aus Bissige
Stories für boshafte Leser
Rhythmisch
schwingt dein sorgfältig gesträhntes Pferdeschwänzchen vor meinen Augen hin und her.
Beide spiegeln wir uns im Fenster. Du mit deinem makellosen Figürchen in einem
rot-weißen Sportdress, ein schmales Handtuch um den Nacken geschlungen. Ich, ein grober,
unförmiger Klotz, ganz in Schwarz gehüllt. Rot ist nur mein Gesicht. Gleichmäßig setzt
du deine zierlichen Füßchen eins vor das andere auf das Laufband. Wie ein Hamster. Auf
deinem Rücken bildet sich bereits ein dunkles Dreieck.
Ja, lauf du nur, du kleines Flittchen. Egal wie schnell du bist, du kannst mir nicht
entkommen. Du hast mir meinen Mann gestohlen. Hat deine Mutter dir nicht beigebracht, dass
man das nicht tut?
Nach dreißig Minuten hältst du das Laufband an. Du wischst ordentlich die Griffe ab,
nimmst einen Schluck aus deiner Designerflasche und setzt dich auf ein
gynäkologenstuhlähnliches Gerät. Fünfzig Kilo legst du auf, presst
die Beine zusammen und wieder auseinander. Das ganze dreißig Mal.
Armer Harald, hat er gar keine Angst, wenn er zwischen diesen gestählten Schenkeln liegt?
Als wäre es noch nicht genug, stemmst du jetzt siebzig Kilo auf der Beinpresse.
Dein Gesicht ist schon leicht gerötet. Ein metallisches Pling verrät, dass du dir wohl
ein bisschen viel zugemutet hast. Das dunkelrote Dreieck auf deinem Rücken breitet sich
aus wie geronnenes Blut.
Ja, Schätzchen. An diese Farbe kannst du dich schon einmal gewöhnen. Das hier wird deine
letzte Fitnessrunde sein. Mein Messer wartet schon auf dich.
Du legst dich auf die Bank und wuchtest die Langhantel nach oben. Mit diesen
angeschwollenen Halsmuskeln siehst du gar nicht mehr so schwanengleich aus. Und das
liebreizende Antlitz zu einer Grimasse verzerrt. Wenn Harald dich so sehen könnte!
Nebeneinander liegen wir auf zwei Bauchtrainern. Du würdigst mich keines Blickes.
Hochkonzentriert absolvierst du deine Situps. Wie ein Käfer auf dem Rücken siehst du
aus. Alle Viere nach oben gestreckt, in hilflosem Zucken erstarrt. Blutrot ist jetzt dein
ganzes Hemdchen. Als hätte man dir dein strammes Bäuchlein schon aufgeschlitzt.
Du setzt dich auf, wischst dir den Schweiß aus dem Gesicht, trinkst wieder einen Schluck
und wirfst einen Blick auf die große Studiouhr.
Deine Zeit ist abgelaufen. Ende der stürmischen Romanze zwischen Barbie und ihrem
alternden Liebhaber. Und glaub ja nicht, dass Harald untröstlich sein wird. Reumütig
wird er zu meinen weichen, untrainierten Schenkeln
zurückkehren. Du stehst auf und gehst zu dem Studio, vor dem sich schon ein paar
Artgenossinnen versammelt haben.
Power Workout steht hier auf dem Programm. Power dich nur aus, umso leichter werde ich es
nachher mit dir haben. Ich werde dich nicht aus den Augen lassen.
Zu den hämmernden, schnellen Beats bellt die Trainerin ihre Kommandos. Die Kursteilnehmer
schleudern ihre Gliedmaßen im Takt hin und her. Du beherrschst die Choreographie perfekt.
Wieder wippt dein sorgfältig gesträhntes Pferdeschwänzchen vor meinen Augen hin und
her.
Ich bekomme keine Luft mehr. Mein Gesichtsfeld engt sich ein. Ich sehe nur noch deinen
Pferdeschwanz. Dann wird alles schwarz.
Der
herbeigerufene Notarzt beugt sich über die am Boden liegende, massige Gestalt. Er kann
nur noch den Totenschein ausfüllen: Herzversagen infolge akuter Überanstrengung.
Copyright © 2005 Susanne
Henke