Die Resolution
Noch vor Sonnenuntergang
einigten sich die Damen bei einem Glas Chianti über den eigentlichen Zweck ihres
Zusammen- und Beieinander-Seins. Nachdem sie in lebhafter Für- und Widerrede ihre
Meinungen und Ansichten ausgetauscht hatten, schrieben sie eine Resolution, die uns im
Wortlaut vorliegt.
Wir, die
Endes-Unterzeichneten, wenden uns mit diesem Aufruf an die Öffentlichkeit und an die
wie wir glauben wohlmeinende Nachwelt, die uns Gerechtigkeit widerfahren
läßt.
Wir fühlen uns in der
Gegenwart Girolamo Savonarolas, weiland Prior von San Marco in Florenz, in unserem Wesen,
das durch Gottes unumstößlichen Ratschluß, also von Natur aus nun einmal
weiblich ist, auf das empfindlichste getroffen und mißverstanden. Dieses Getroffen-Sein
macht uns betroffen. Man hat uns im wahrsten Sinne des Wortes verkannt. Gelegentlich wird
uns unterstellt, wir hätten diesen merkwürdigen Dominikaner, der, sicher zu Unrecht zum
Tode verurteilt, auf einem Scheiterhaufen verbrannte, mit einer gewissen Haßliebe
verfolgt, betrogen oder sogar, je nach Lage der Dinge, wenn auch aus Verzweiflung einen
Mord begangen, hätten wohl auch die Ehe gebrochen oder doch brechen wollen. Das alles
sind Worte, die in Geschichten vorkommen mögen, aber in keinem Falle der Wahrheit
entsprechen.
Wir wenden uns mit Entschiedenheit im Namen der hier versammelten edlen Frauen
diesen Passus verlangten Romola und Lisa gegen eine solche Verunglimpfung
auf diesem Wort bestand Lucrezia und wünschen von künftigen Satz- und
Seitenschreibern eine klarere Einsicht in unsere diversen Verhältnisse.
Das letzte Wort wurde auf Grund einer Bemerkung Elena Varchis eine Zeitlang noch hin- und
hergewendet, weil es Anlaß zu geben schien, mißdeutet zu werden: besser wäre das Wort
»Verhalten« gewesen. Aber nun stand es da und müßte so oder so gedeutet werden. Den
Text unterschrieben Mona Lisa, danach Romola und die kleine Tessa, Giulia Manulli und
Francesca, verwitwete Ridolfi, Elena Varchi, geborene Ridolfi, dann eine nicht mehr junge
Frau aus Settignano, die ihren Namen nicht schreiben wollte, mit drei Kreuzen, Maddalena
Strozzi und schließlich Lucrezia Borgia. Mit ihr hatte ich das Treffen vereinbart, weil
sie wie wir beide wußten als Herzogin dem Range nach die Höchste und,
weltweit bekannt, unter den Anwesenden die Berühmteste war. Fiorenza verweigerte ihre
Unterschrift: sie sei, erklärte sie, durch einen namhaften Mann berühmt geworden und
sähe sich nicht in ihrem Wesen verkannt. Die Damen respektierten ihre Enthaltsamkeit.
Fiore wie sie sich der Kürze halber nennen ließ verabschiedete sich
ziemlich grußlos und zog sich auf ihr Zimmer zurück, versprach aber, nach dem Abendessen
wiederzukommen.